Sie arbeiten an einem Open-Access-Projekt in der Geschlechterforschung?
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Die Geschlechterforschung ist ein wissenschaftliches Feld, in dem sowohl disziplinär als auch inter- und transdisziplinär gearbeitet wird. Ihre Veröffentlichungspraktiken richten sich nach den involvierten Fachdisziplinen und sind entsprechend heterogen. Die in einigen Verlagen in Form von Zeitschriften bzw. Buchreihen existierenden Disziplinen übergreifenden Veröffentlichungsorte sind überwiegend von den Gepflogenheiten der Sozial- und Geisteswissenschaften geprägt.
Nachdem die Auseinandersetzung mit Open-Access-Publikationsmodellen zunächst zögerlich verlief, werden die Chancen des elektronischen Publizierens und insbesondere von Open Access heute zunehmend erkannt. Es gibt in der deutschsprachigen Geschlechterforschung mittlerweile eine Reihe von Open-Access-Publikationen, insbesondere bei Zeitschriften. Eine langsame Zunahme von Open-Access-Veröffentlichungen ist auch im Bereich der Monographien zu verzeichnen. International lassen sich im Bereich der Geschlechterforschung zwei Entwicklungen unterschieden: Auf der einen Seite erscheinen einschlägige, überwiegend englischsprachige Publikationen zur Geschlechterforschung in großen kommerziellen Verlagen. Die dort verlegten Zeitschriften bieten bis dato lediglich hybride Open-Access-Optionen gegen die Zahlung von Zusatzgebühren an. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren verstärkt auch Open-Access-Modelle auf Basis von Article Processing Charges (APCs) genutzt werden. Auf der anderen Seite ist eine wachsende Zahl von Open-Access-Publikationen in der nicht-englischsprachigen Welt zu verzeichnen, die gebührenfreie Open-Access-Modelle verfolgen und so einen wichtigen Beitrag zur Bibliodiversität leisten.
Im deutschsprachigen Raum verfügt die Geschlechterforschung mittlerweile über eine Reihe von elektronischen Zeitschriften, die Open-Access-Publikationen gebührenfrei auf dem Goldenen Weg ermöglichen. Folgende Zeitschriften sind nicht nur kostenfrei zugänglich, sondern erfüllen auch durch die Nutzung von freien Lizenzen die Anforderungen an Open-Access-Publikationen:
Die für die Geschlechterforschung einschlägigen verlagsgebundenen Zeitschriften versehen Beiträge derzeit mit einer Embargofrist. Zwischen dem Repositorium GenderOpen und den Verlagen Barbara Budrich und De Gruyter bestehen Kooperationen, auf deren Grundlage die elektronischen Volltexte in der originalen Verlagsversion sowie die dazugehörigen Metadaten aus folgenden Zeitschriften nach Ablauf einer Embargofrist frei zur Verfügung gestellt werden können:
Im internationalen Bereich sind die meisten Zeitschriften aus der Geschlechterforschung, die in der Elektronischen Zeitschriftenbibliothek nachgewiesen sind (unter dem Stichwort „Gender“ verzeichnet die Datenbank aktuell mehr als 370 Zeitschriften), nur eingeschränkt les- und nutzbar. Das DOAJ listet unter dem Stichwort „Gender“ 108 Zeitschriften (Stand Juli 2020, mit mehr oder weniger großen Schwerpunktsetzungen im Bereich der Geschlechterforschung) auf. Lediglich 15 der im DOAJ verzeichneten Zeitschriften erheben APCs.
Mit GenderOpen verfügt die Geschlechterforschung seit 2018 über ein ausgewiesenes Open-Access-Repositorium, das die langfristige Verfügbarkeit von Veröffentlichungen unter Open-Access-Bedingungen sichert. Interessierte erhalten dort offenen Zugang zu Veröffentlichungen aus der Geschlechterforschung. Das Repositorium informiert Autor*innen über ihre Rechte im Bereich der Zweitveröffentlichung und schafft so Bewusstsein für die Möglichkeiten, die ihnen im Rahmen des deutschen Urheber*innenrechts gegeben sind. Gezielte Kooperationen mit einschlägigen Fachverlagen ermöglichen in vielen Fällen die Zweitveröffentlichung von originalen Verlagsversionen sowie die dazugehörigen Metadaten.
Der Schlagwortindex GenderOpen ist ein im Rahmen von GenderOpen entwickeltes kontrolliertes Vokabular zur inhaltlichen Beschreibung von Publikationen aus der Geschlechterforschung. Er wird auch von einigen Zeitschriften, dem Digitalen Deutschen Frauenarchiv und der Gutachter*innen-Datenbank genutzt. GenderOpen erhielt 2019 das DINI-Zertifikat für Open-Access-Publikationsdienste. Weitere für die Geschlechterforschung relevante disziplinäre Repositorien können über das Verzeichnis OpenDOARrecherchiert werden.
Das Thema offene Forschungsdaten wird in der Geschlechterforschung nur zögerlich aufgegriffen. Nach einer Bedarfsanalyse zu Forschungsdateninfrastrukturen in den Gender Studies haben bisher nur wenige Forschende Erfahrung mit der Nachnutzung von Forschungsdaten gemacht. Die Schwierigkeiten bei der disziplinären Einordnung der Geschlechterforschung wiederholen sich auch in Bezug auf offene Forschungsdaten: Explizit für die Geschlechterforschung ausgewiesene Forschungsdatenrepositorien gibt es bislang nicht. Selbst bei guter Metadatenerfassung erfordert eine Recherche stets das Verfolgen unterschiedlicher Suchstrategien mit verschiedenen Speicherorten, Schlagworten und Disziplinen. Ob jedoch ein eigenständiger Speicherort für offene Forschungsdaten in einem inter- und transdisziplinären Feld wie der Geschlechterforschung angezeigt ist, in der mit vielfältigen Datenarten gearbeitet wird, ist noch nicht abschließend geklärt.
Für die Recherche in der Geschlechterforschung stehen verschiedene Datenbanken, Textsammlungen und Informationsangebote zur Verfügung, die u.a. Open-Access-Publikationen enthalten bzw. nachweisen.
Für die Recherche in den Beständen der Einrichtungen von i.d.a., dem Dachverband von mehr als 40 Lesben-/Frauenarchiven und -bibliotheken in Deutschland, Österreich, Luxemburg, Italien und der Schweiz, steht der Katalog META zur Verfügung.
Open-Access-Publizieren bietet gerade für die Geschlechterforschung enorme Chancen: Aufgrund von politischen Vorbehalten gegenüber der Geschlechterforschung und der uneindeutigen Verortung zwischen den Disziplinen sind ihre Ergebnisse Rezeptionssperren ausgesetzt. Open-Access-Publikationen können durch die mögliche größere Sichtbarkeit und den direkten Zugriff auf Volltexte diese Sperren überwinden und so ihre Qualität belegen. Die erhöhte Sichtbarkeit führt aller Voraussicht nach auch zu einem höheren Qualitätsdruck.
Der Bedarf ist auch von Seiten der in der Geschlechterforschung tätigen Wissenschaftler*innen vorhanden: Aufgrund der Umstellung der Förderpraxis, aber auch aufgrund der Faszination, die von den neuen technischen Möglichkeiten ausgeht, ist eine vermehrte Nachfrage nach alternativen Publikationsmodellen und -orten zu verzeichnen.
In dem richtungsweisenden, von der DFG geförderten Projekt Geschlechterforschung und Open Access. Ein Publikationsmodell für ein inter-/transdisziplinäres Forschungsfeld an der Freien Universität Berlin (2011–2012), auf dem seitdem zahlreiche Projekte aufgebaut haben, wurden die Chancen und Anforderungen an Open-Access-Publikationen in der Geschlechterforschung analysiert. Die Ergebnisse sind ambivalent: Es wurde gezeigt, dass alle für die Umsetzung eines qualitätsgesicherten Open-Access-Publikationsangebots notwendigen technischen und rechtlichen Möglichkeiten vorhanden sind. Open-Access-Veröffentlichungen und elektronische Publikationsabläufe bringen jedoch zusätzliche Anforderungen mit sich, z. B. klare Rollenteilungen, Rechteklärungen, Anpassung an disziplinen- und länderübergreifende Standards. In dieser Situation ist es sinnvoll, anstelle großer zentraler Lösungen „Leuchtturmprojekte“ auf den Weg zu bringen und die Community sukzessive an neue Formen des Publizierens heranzuführen. Projekte, die im Anschluss an das Projekt auf den Weg gebracht wurden, sind das Repositorium GenderOpen, die Open-Access-Zeitschrift Open Gender Journal und das Projekt Open Gender Platform, durch das nachhaltige Ansätze für redaktionelle Workflows, Geschäftsmodelle und Qualitätssicherungsverfahren entwickelt und für die gesamte Geschlechterforschung nachnutzbar zur Verfügung gestellt wurden. Im Rahmen der Open Gender Platform wurde u. a. eine frei nutzbare Gutachter*innen-Datenbank entwickelt: ein Verzeichnis von Expert*innen, die ihre Bereitschaft erklärt haben, für Open-Access-Zeitschriften und Monographien in Deutschland zu begutachten.
Die Fachgesellschaft Geschlechterstudien positioniert sich aktiv für freies Publizieren. Als eine von vier Herausgeberinnen des Open Gender Journal und Trägerin der Open Gender Platform hat die Fachgesellschaft Open Access als wichtiges Handlungsfeld in ihrem Aufgabenspektrum verankert. Innerhalb der Fachgesellschaft vernetzt die Arbeitsgruppe Open Digital Gender Studies zudem bestehende Initiativen und setzt sich mit aktuellen Entwicklungen im Bereich Open Access und Open Science auseinander.
Kathrin Ganz, Anita Runge and Marco Tullney, lizensiert unter Creative Commons CC BY 4.0 International (Stand: 8/2020).